Mondscheinblues (German Edition) by Katrin Koppold

Mondscheinblues (German Edition) by Katrin Koppold

Autor:Katrin Koppold [Koppold, Katrin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aureolus Verlag, Inhaberin: K. Hohme
veröffentlicht: 2015-11-02T16:00:00+00:00


Nina

Ein scharfes Häschen! Das Wort Häschen wäre mir zwar nicht auf Anhieb im Zusammenhang mit dem Besitzer von Sheringham Castle in den Sinn gekommen. Aber scharf … das war er. Dunkelhaarig und breitschultrig. Hohe Wangenknochen, ein wohlgeformter Mund, und seine Augen waren sogar noch heller als die von Tom. Vielleicht konnte man sie bei ihm aber auch einfach nur besser erkennen, denn abgesehen von dem Hauch eines Dreitagebartes — vermutlich gehörte er zu der Sorte Männer, die sich so oft rasieren konnten, wie sie wollten, ein leichter Schatten blieb immer — war sein Gesicht erfreulich frei von Haaren gewesen. Scharfes Häschen … Herb war echt eine Nummer. Ich kicherte leise, als ich Tom zum Auto folgte.

Lamorna war laut Reiseführer ein winziges Fischerdorf, dessen Häuser sich um einen kleinen Naturhafen gruppierten. Der Pub, in dem Tom und ich nächtigen würden, lag an einer abschüssigen Straße ein paar Meilen vor dem Ortseingang. Sie war so eng, dass sie in Deutschland vermutlich noch nicht einmal als Einbahnstraße durchgegangen wäre. Erleichtert stellte ich den SUV auf dem Parkplatz ab, froh, nicht mehr bis zum Dorf weiterfahren zu müssen, denn Ausweichbuchten hatte es auf dem bisherigen Wegabschnitt keine gegeben. Das Lamorna Wink war ein zweistöckiges, langgezogenes Haus aus grob gehauenem Naturstein. Mehrere Holzbänke standen im Hof, und alle waren gut besetzt, überwiegend von Männern aller Altersklassen. Nur eine einzige junge Frau saß an einem der Tische. Sie hatte ihre langen, dunklen Haare zu einem unordentlichen Pferdeschwanz gebunden, und in ihrem Ausschnitt steckte eine Sonnenbrille. Sie war die Bedienung, wie ich feststellte, als sie kurz darauf aufstand und Tablett und Schreibblock zückte, um eine weitere Bestellung aufzunehmen.

»Heute ist Fish-and-Chips-Friday«, erklärte Simon, der Besitzer des Lamorna Wink. Er war groß und grauhaarig, mit schmalen Schultern und einem Bauch, der sich merklich über den Gürtel seiner Leinenhose wölbte. Sein graues Haar stand an den Seiten fusselig vom Kopf ab, und hinter den runden Brillengläsern konnte ich vergnügt blitzende Augen sehen. »Kommt rein!« Er machte eine einladende Handbewegung. »Ich zeige euch gleich, wo ihr schlaft. Unsere Zimmer sind gemütlich. Das heißt winzig.« Er lachte. Falls er sich darüber wunderte, dass seine Gäste statt Betty und Jens auf einmal Nina und Tom hießen und das Doppelzimmer in zwei Einzelzimmer umgebucht hatten, so ließ er sich das nicht anmerken. »Das Haus hat bereits ein paar hundert Jahre auf dem Buckel und ist bis unters Dach voll von Geschichten«, erklärte er. »Früher wurde hier in der Gegend sehr viel Schmuggel betrieben.« Er wies auf eine geöffnete Tür, die den Blick auf einen niedrigen Raum mit löchrigen dunklen Balken und einem schiefen Holzboden freigab. »Der Pub war einer der Hauptumschlagplätze. Interessenten wurden durch ein Augenzwinkern darauf aufmerksam gemacht, wenn heiße Ware eingetroffen war. Deshalb auch das Wink hinter dem Lamorna.« Wie zur Bestätigung zwinkerte auch er uns zu. Über eine knarzende Treppe führte er Tom und mich in den zweiten Stock hinauf. Dabei redete er ununterbrochen und so schnell, dass ich ihm, obwohl mein Englisch ganz gut war, nicht immer ohne Weiteres folgen konnte.



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